Steigende Erwerbstätigen- und Beschäftigungsquoten lassen vermuten, dass sich auch die Situation älterer Menschen am Arbeitsmarkt grundlegend verbessert hat. Bei detaillierter Betrachtung zeigen sich jedoch immer noch deutliche Handlungsbedarfe. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind insgesamt auch saisonbereinigt gestiegen. Die Chancen, Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer Beschäftigung zu beenden, liegen auf einem historisch niedrigen Niveau. 2,9 Millionen Arbeitslose gab es im August 2024, davon 982.000 Langzeitarbeitslose.
Ältere Menschen sind besonders vom Anstieg der Arbeitslosigkeit und von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen
Bei den über 55-Jährigen ist fast jeder zweite langzeitarbeitslos; 46,8 Prozent waren es im September 2024. Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Arbeitslosen in dieser Altersgruppe um 9 Prozent gestiegen. Das sind 54.000 mehr als im Vorjahr. Gleichwohl geben viele Betriebe an, „zeitnah“ keine passenden Arbeits- und Fachkräfte zu finden.
Wir haben es zurzeit mit drei auf den ersten Blick ambivalenten Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zu tun: Erstens bleibt die Nachfrage nach Arbeits- und Fachkräften trotz negativer wirtschaftlicher Entwicklung hoch. Zweitens steigen Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit seit dem vergangenen Jahr wieder. Und drittens steigt gleichzeitig die Zahl der Erwerbstätigen und der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten: Was bedeutet das für die Älteren auf dem Arbeitsmarkt?
Ältere Menschen profitieren kaum von Fachkräfteengpässen
Werden ältere Menschen arbeitslos, haben viele von ihnen keine Chance mehr auf die Rückkehr in eine qualifikationsgerechte Arbeit. Das hat zum einen etwas damit zu tun, dass Fachkräfte vor allem in hochspezialisierten Berufen, in Berufen mit neuen Anforderungen durch die digitale und ökologische Transformation sowie in Berufen mit körperlich stark belastenden Tätigkeiten gesucht werden. Da eine immer noch viel zu große Zahl von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei Qualifizierungsmaßnahmen zur dauerhaften Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit leer ausgeht und gerade Ältere in der Weiterbildung unterrepräsentiert sind, haben sie im Falle des Arbeitsplatzverlustes große Schwierigkeiten bei der Rückkehr in Arbeit. Körperlich belastenden Tätigkeiten sind viele nicht mehr gewachsen, auch weil sie gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen ausgesetzt waren. Sie haben aber auch mit Altersdiskriminierung zu kämpfen.
Von den geplanten finanziellen Anreizen der Wachstumsinitiative, mit denen Ältere im Arbeitsleben gehalten werden sollen, profitieren vor allem Arbeitgeber, die ausgewählte Fachkräfte halten können. Daher ist die Weitergabe von Arbeitgeberbeiträgen zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung und die Einführung der sogenannten Rentenaufschubprämie nicht geeignet, die Beschäftigungssituation von älteren Menschen zu verbessern. Die Intention der Regelungen ist einzig, Fachkräfteengpässe in bestimmten Branchen zu überbrücken, statt den Arbeitsmarkt für eine größere Gruppe von älteren Menschen besser zu erschließen – und das alles zu Lasten der Sozialversicherung und damit der Allgemeinheit.
Der DGB hält dem entgegen: Wir brauchen eine Initiative zur Verbesserung der Chancen von allen älteren Menschen und besonders von denen, die ihre Arbeit verloren haben. Dazu sollte die Wiedereinführung der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Ausgleich von Lohneinbußen geprüft werden, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung dies empfiehlt. Ältere Langzeitarbeitslose können über den Sozialen Arbeitsmarkt wieder in Arbeit zurückfinden. Durch die permanente Unterfinanzierung der Jobcenter kommt dieses wissenschaftlich belegte erfolgreiche Instrument aber kaum noch zum Einsatz. Und es muss mehr für die Beschäftigungssicherung in der Transformation durch Qualifizierung auch für ältere Beschäftigte getan werden. Dazu eignet sich das seit dem 1. April 2024 geltende Qualifizierungsgeld. Es muss aber auch umgesetzt werden, indem die Betriebe mit ihren Betriebsräten oder den Gewerkschaften entsprechende kollektive Vereinbarungen schließen. Arbeitsmarkt-Drehscheiben müssen genutzt werden, damit Fachkräfte erst gar nicht arbeitslos werden. Zudem muss die Gesellschaft für strukturelle Altersdiskriminierung sensibilisiert werden. Alternsgerechte Arbeitsbedingungen dürfen keine Ausnahme sein. Die Unternehmen sind bei all dem in der Pflicht.
Alters- und alternsgerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen notwendig
Wird die Erfahrung Älterer wenig geschätzt, werden sie in Modernisierungsprozessen nicht mitgenommen, wird ihnen kaum Weiterbildung ermöglicht, wird auf die langfristige Gesunderhaltung der Mitarbeitenden und auf sinnvolle Entlastungen für Ältere nicht geachtet, werden viele ältere Menschen in der Arbeitswelt abgehängt. Der DGB setzt daher auf eine alters- und alternsgerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen. Zudem muss die Arbeits- und Qualifizierungsförderung für ältere Menschen quantitativ und qualitativ ausgebaut werden. Die weitere Anhebung des Renteneintrittsalters und die Abschaffung der abschlagsfreien Rente für besonders langjährig Versicherte (sog. „Rente mit 63“) sowie Angriffe auf die längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für über Fünfzigjährige sind hingegen Irrwege.
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