Starke Sozialpartnerschaft, starke Demokratie: Der AGV Banken bereichert das GVG-Netzwerk!

Interview mit Carsten Rogge-Strang (Hauptgeschäftsführer AGV Banken)

10.09.2025

GVG im GesprächWie verändert sich die Arbeitswelt im Bankensektor aktuell – etwa durch Digitalisierung, Flexibilisierung oder neue Arbeitsmodelle – und welche Unterstützung bietet der AGV Banken seinen Mitgliedsunternehmen bei der Bewältigung dieser Veränderungen?

Carsten Rogge-Strang: Das private Bankgewerbe zählt seit jeher zu den Branchen mit der höchsten Veränderungsgeschwindigkeit. Diese rasche Transformation wird seit Jahren durch die fortschreitende Digitalisierung und in jüngster Zeit durch den zunehmenden Einsatz von KI getrieben. Heute nutzt bereits die Hälfte unserer Beschäftigten KI in ihrem Arbeitsalltag, ein Fünftel tut dies sogar sehr häufig oder häufig. Unsere Branche hat deshalb große Routine darin, den permanentem Wandel zu managen – das gilt für die Entwicklung digitaler Prozesse ebenso wie für die Gestaltung mobiler und hybrider Arbeitsformen, wo wir zu den Vorreitern in der deutschen Wirtschaft zählen. Dafür nutzen wir auch ein besonders innovatives Format: Unter dem Dach der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft als Präventionsträger haben wir gemeinsam mit ver.di, der BDA und dem AGV Versicherungen die Sozialpartner-Initiative „Mitdenken 4.0“ ins Leben gerufen. In diesem Inkubator für moderne Arbeitsgestaltung entwickeln wir bereits seit 2017 wissenschaftlich und empirisch fundierte Handlungshilfen für die betriebliche Praxis – soeben erst zu hybriden Arbeitsformen, davor zu agiler Arbeit, erweiterter Erreichbarkeit oder gesundheitsgerechter Führung. Ganz aktuell beschäftigen wir uns sehr intensiv mit den Auswirkungen, die KI auf wissensbasierte Dienstleistungen hat. Daraus entwickeln wir dann gemeinsam handfesten Nutzwert für Personalleitungen, Führungskräfte und betriebliche Interessenvertretungen – ohne starre Regeln, aber mit einem gemeinsamen Verständnis von moderner Arbeit, das den Interessen sowohl der Beschäftigten als auch der Arbeitgeber gerecht wird.

GVG im Gespräch: Was waren die Beweggründe für den AGV Banken, Mitglied der GVG zu werden?

Carsten Rogge-Strang: In den vergangenen Jahren erleben wir angesichts des rasanten technologischen Fortschritts sowie gesellschaftlicher und demografischer Veränderungen, dass sich die Bedürfnisse der Branchen in bestimmten Bereichen immer stärker ausdifferenzieren. Unsere Welt wird komplexer und damit auch die Anforderungen an die Interessenvertretung durch die Verbände. Wir arbeiten deshalb heute deutlich intensiver mit Politik, Verbänden, Wissenschaft und Sozialversicherungsträgern zusammen als noch vor einigen Jahren, weil wir die spezifischen Bedürfnisse der wissensbasierten Dienstleistungen – etwa im Bereich mobil-flexibler Arbeitsformen – noch besser sichtbar machen müssen. Zuletzt hat uns auch die betriebliche Altersversorgung stark beschäftigt, nachdem wir 2023 als eine der ersten Branchen das Sozialpartnermodell eingeführt haben und gerade die ersten Anwendungen auf den Weg bringen. Und schließlich haben wir ein großes Interesse daran, unsere sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest zu machen. Es braucht aus unserer Sicht Kostendisziplin, die eine gute soziale Sicherung ermöglicht, ohne die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland zu gefährden. Für all diese Themen ist die GVG eine hervorragende Plattform, und wir haben ein großes Interesse daran, frühzeitig an der Meinungsbildung in einem breiten Netzwerk mitwirken zu können. Wir freuen uns deshalb sehr auf die Expertise aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik innerhalb der GVG und bereichern diese gerne durch unsere eigenen Erfahrungen.

GVG im Gespräch: Welche Erwartungen hat der AGV Banken an die zukünftige Ausgestaltung der sozialen Sicherung in Deutschland – insbesondere mit Blick auf den demografischen Wandel – und welche Beiträge kann der Verband hierzu leisten?

Carsten Rogge-Strang: Tatsächlich erwarten wir nicht weniger als einen großen Wurf. Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Bundesregierung einen „Herbst der Reformen“ ausgerufen hat. Jetzt müssen diesen Worten aber auch schnell sichtbare und wirksame Taten folgen, um steigende Belastungen für Beschäftigte und Unternehmen zu vermeiden, die Sozialsysteme enkelfest zu machen, den Standort Deutschland und die politische Mitte zu stärken. Dafür müssen wir insbesondere die nachhaltige Finanzierung unserer Sozialsysteme sicherstellen und dabei auch Leistungen und Prozesse auf den Prüfstand stellen. Für diesen Kraftakt müssen sich auch die Sozialpartner in Deutschland unterhaken und gemeinsam pragmatische Lösungen entwickeln, die uns sicher einiges abverlangen werden, aber die Gesellschaft auch nicht überfordern dürfen. Wir tragen dazu unseren Teil bei – nicht nur als Akteure in der sozialen Selbstverwaltung, insbesondere in der Renten- und Unfallversicherung. Wir sehen uns auch als Tarifträgerverband in der Verantwortung. So haben wir Ende 2023 als eine der ersten Branchen einen Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung nach dem Sozialpartnermodell abgeschlossen, das aufgrund verbesserter Konditionen und den Wegfall der Arbeitgeberhaftung sowohl für die Beschäftigten als auch für die Unternehmen hoch attraktiv ist. Indem wir noch mehr Beschäftigte in betriebliche Altersversorgungssysteme einbeziehen, stärken wir nicht nur unsere Vorreiterrolle in der Alterssicherung und das bereits hohe Versorgungsniveau in unserer Branche. Wir senden auch ein klares Signal an die Politik, dass wir handlungsfähig sind, wenn es um die Stärkung der Altersversorgung in Deutschland geht – verbunden mit der klaren Forderung an die Politik, parallel die gesetzliche Rente zukunftsfest zu machen.

GVG im Gespräch: Die GVG beschäftigt sich intensiv mit dem Thema der demografiefesten Personalpolitik. Welche konkreten Maßnahmen oder Initiativen verfolgt der AGV Banken zur Förderung und Unterstützung älterer Beschäftigter in der Bankenbranche?

Carsten Rogge-Strang: Der demografisch bedingte Arbeitskräftemangel ist eine der größten personalpolitischen Herausforderungen – nicht nur, wenn es darum geht, neue Talente zu gewinnen, sondern auch, bewährte Kräfte zu halten. Aus unseren jährlichen Beschäftigtenbefragungen wissen wir, dass in unseren alternden Belegschaften auch das Ausmaß an Pflegeverantwortung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen weiter steigt. Daher setzen wir stark auf die Vorteile hybrider Arbeit, also der Kombination aus mobiler Arbeit und Präsenz im Büro. Diese Flexibilität kommt den Beschäftigten zugute, da sie vor allem Stressbelastungen reduziert, die Vereinbarkeit von familiären oder beruflichen Anforderungen verbessert und so letztlich bessere Arbeit und ein stabiles Arbeitsvolumen ermöglicht. Auch wenn unsere Tarifverträge bereits ein hohes Maß an Flexibilität erlauben, begrüßen wir deshalb ausdrücklich die geplante Umstellung von täglicher auf wöchentliche Höchstarbeitszeit. Wenn wir das tariflich und betrieblich intelligent flankieren, können wir insbesondere Beschäftigten mit familiären Verpflichtungen neue Freiräume eröffnen, von denen wir alle profitieren.

GVG im Gespräch: Der AGV Banken blickte im vergangenen Jahr auf sein 70-jähriges Bestehen zurück. Welche Bedeutung hat die Sozialpartnerschaft für die demokratische Kultur und die Stabilität des deutschen Sozialmodells aus Sicht des Verbandes?

Carsten Rogge-Strang: Die Sozialpartnerschaft ist eine tragende Säule unserer sozialen Marktwirtschaft, unserer Demokratie und damit auch unseres Wohlstands. Als Sozialpartner haben wir eine große Mitverantwortung für den sozialen Frieden in unserem Land und müssen im Sinne unserer Demokratie gemeinsam alles dafür tun, Sozialpartnerschaft und Tarifautonomie in Deutschland nachhaltig zu stärken. Unsere Aufgabe ist es, die Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen zu wahren und zu fördern – in immer wiederkehrenden Aushandlungsprozessen auf Augenhöhe. Insofern ist die Sozialpartnerschaft auch eine Art Trainingscamp für einen fairen und demokratischen Umgang miteinander. Aus den vorgenannten Gründen haben wir unser Verbandsjubiläum deshalb auch unter das Motto „Starke Sozialpartnerschaft – Starke Demokratie“ gestellt. Ende 2023 haben wir darüber hinaus eine bislang einmalige Sozialpartnerinitiative mit der Gewerkschaft ver.di und dem Business Council for Democracy gestartet, in der wir Beschäftigte fit machen für den Umgang mit Hassrede, Desinformation und Verschwörungserzählungen. Zugleich wollen wir gemeinsam den Sozialraum Unternehmen stärken und damit insgesamt unsere Demokratie auch auf betrieblicher Ebene stärken. Dabei ist unser klares Signal: Wir teilen uneingeschränkt die Grundüberzeugung der GVG, dass die soziale Sicherung existenziell ist für ein stabiles demokratisches Deutschland.

GVG im Gespräch: In der GVG engagieren sich Organisationen mit sehr unterschiedlichen Perspektiven und Interessen. Welche Herausforderungen und Potenziale sieht der AGV Banken in der interdisziplinären und überinstitutionellen Zusammenarbeit bei der Entwicklung tragfähiger Konzepte für die soziale Sicherung?

Carsten Rogge-Strang: Es gehört zu unserem täglichen Geschäft, andere Perspektiven einzunehmen, zu bewerten und auch bei unterschiedlichen Sichtweisen tragfähige Lösungen zu finden. Das gilt für die Zusammenarbeit mit unseren sehr unterschiedlichen Mitgliedsunternehmen ebenso wie in Tarifverhandlungen oder in der sozialen Selbstverwaltung. Genau diese Prozesse prägen ja auch die Arbeit der GVG. Unsere freiheitliche Grundordnung und unsere pluralistische Gesellschaft sind ein Geschenk, und wir nehmen Diversität grundsätzlich als Chance und nicht als Bedrohung wahr. Natürlich sind wir mit den vielen Stakeholdern unseres Verbandes nicht immer einer Meinung, und das wird sicher auch innerhalb der GVG so sein. Aber wir sind es gewohnt, diese Unterschiede nicht nur auszuhalten, sondern daraus mit den anderen Akteuren gemeinsam gute Ideen und Ergebnisse zu entwickeln. Das gilt nicht nur für das Tarifgeschäft, sondern auch für die soziale Selbstverwaltung. In unserer Arbeit in der Renten- und Unfallversicherung treffen wir auf eine Vielzahl von Interessen und schaffen es doch immer wieder, einen Konsens zu finden. Insofern betrachten wir die Vielfalt innerhalb der GVG als bereichernd und freuen uns zugleich, wenn auch wir als maßgebliche Stimme der wissensbasierten Dienstleistungen innerhalb der GVG das eine oder andere offene Ohr finden.

Informationen zum Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes (AGV Banken)

Der Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes e.V.  ist der Spezialist für die Banken-Arbeitswelt – mit weitreichender Expertise in Tarifpolitik, Arbeits- und Sozialrecht, Berufsbildung und Arbeitsgestaltung. Die AGV Banken beraten ihre Mitglieder, bündeln  Interessen und vertreten sie gegenüber Sozialpartnern, Politik und in der sozialen Selbstverwaltung. Unter dem Dach der AGV Banken versammeln sich die in privatrechtlicher Form geführten Banken und Bausparkassen im gesamten Bundesgebiet - knapp 100 Mitglieder (Großbanken, Regionalbanken, Pfandbriefbanken, Spezialbanken, Privatbankiers und Bausparkassen) beschäftigen etwa 130.000 Menschen.  Mehr Informationen zur AGV Banken finden Sie auch hier