GVG-Perspektive Nr. 20 – Meinungsbeitrag Franz Donner (BG ETEM, DGUV, ddn, INQA)

Erwerbstätigkeit im Alter – ein Impuls aus der Praxis für die Praxis

23.10.2025

Zunächst soll gesagt sein: Es besteht kein Erkenntnisproblem bei der Erwerbstätigkeit Älterer – die Schwierigkeit liegt in der konkreten Umsetzung in der Praxis.

Umfangreiche fundierte Studien geben uns ein breites Wissen zur Erwerbstätigkeit Älterer. Dies bezieht sich sowohl auf die Motivationslage Älterer, die u.a. in der "leben in der Arbeit Studie" (lidA) der Bergischen Universität Wuppertal seit vielen Jahren empirisch untersucht wird, als auch auf die zu beachtenden Rahmenbedingungen in Unternehmen zur Förderung der Erwerbstätigkeit Älterer, die u.a. im Later Life Workplace Index der Leuphana Universität Lüneburg beleuchtet werden.

Zudem hat die Politik die Erwerbstätigkeit Älterer im Rahmen der Fachkräfteoffensive in den Fokus genommen, ohne dass hier auf die Diskussion zum Renteneintrittsalter eingegangen werden soll. Der aktuelle Koalitionsvertrag verspricht konkrete Verbesserungen der Rahmenbedingungen, wie die Aufhebung der Vorbeschäftigungsverbots zur erleichterten befristeten Beschäftigung Älterer. Die Ausgangslage für eine Steigerung der Erwerbstätigkeit Älterer ist damit besser als für einige andere Gruppen, die zur Fachkräftesicherung ebenfalls relevant wären, um hier beispielhaft das „Arbeiten mit chronischen Erkrankungen“ zu nennen.  

Die Schwierigkeiten liegen somit nicht in den fehlenden Erkenntnissen oder dem mangelnden Fokus der Politik auf die Erwerbstätigkeit Älterer, sie beginnen in der praktischen Umsetzung.

Lebenswege sind individuell und höchst unterschiedlich, einen „Königsweg“ für den Übergang von der Erwerbstätigkeit in die Rente gibt es demzufolge nicht. Überhaupt ist das Denken in den klassischen Lebensabschnitten Ausbildung – Arbeit – Rente zu starr, um den tatsächlichen Abläufen Rechnung zu tragen. Als Beispiel sei das „lebenslange Lernen“ genannt. Viele Menschen sind zudem heute bereits im Rentenalter auf zusätzliche Einnahmen angewiesen und in Zeiten knapper Rentenkassen wird sich dies perspektivisch erhöhen. Andere suchen auch im Alter sinnvolle Tätigkeiten, zumal eine Beschäftigung dem menschlichen Wesen zu eigen ist. Eine Definition von Arbeit im Sinne jeder gesellschaftlich relevanten Tätigkeit erscheint mir angezeigt und unterstützt dabei, „Arbeit“ positiv in unserem Leben zu verankern.

Die lidA Studie zeigt, dass die meisten älteren Beschäftigten immer noch frühzeitig in Rente gehen möchten und spricht von der „Kultur des Frühausstiegs“.  Für Unternehmen sollte diese Motivationslage der Beschäftigten ein „call to action“ sein.

Nicht jeder beschäftigt sich selbst frühzeitig mit der Gestaltung des Lebens im Alter, zumal es viele Einflussfaktoren wie Gesundheit, Finanzlage, Unterhaltspflichten etc. zu betrachten gilt, die einem stetigen Wandel unterworfen sind.

Eine befähigende Unterstützung im Unternehmen ist angezeigt, soweit der Einzelne dies wünscht.

Die plumpe Frage des Vorgesetzten oder aus der Personalabteilung „Wie stellen Sie sich Ihre weitere Zukunft vor?“, sollte es jedoch nicht sein. Abhängig vom Fragesteller im Unternehmen und den Umständen löst diese Frage ein „kritisches Kopfkino“ beim Betroffenen aus. Es kann als versteckte Aufforderung für ein vorzeitiges Ausscheiden verstanden werden. Zumal der „sozialverträgliche Personalabbau“ von älteren Mitarbeitenden zur Personalanpassungskultur früherer Zeiten zählte und auch heute immer wieder mit hohen Kosten in Krisensituationen zur Anwendung kommt.

Die Frage bleibt, wie Beschäftigte rechtzeitig das Angebot einer adäquaten Beratung im Unternehmen erhalten können, die alle wichtigen Aspekte der späteres Lebensphase zumindest antippt und als Impuls verstanden wird, sich mit der Thematik in allen Facetten zu beschäftigen. Dies umfasst Fragen der Altersversorgung, der Weiterbildung bis hin zu den Gesundheitsaspekten.

Sowohl Führungskräfte wie Personalmitarbeitende, die ältere Beschäftigte für eine längere Tätigkeit gewinnen möchten, sollten sich auf derartige Dialoge vorbereiten. Praktische Handlungshilfen hierzu wären förderlich und gilt es zu entwickeln.

Hinweis zu den Meinungsbeiträgen

Die in diesem Meinungsbeitrag geäußerten Ansichten und Standpunkte repräsentieren ausschließlich die persönlichen Meinungen der jeweiligen Expertinnen und Experten und nicht die offizielle Position der GVG (Gesellschaft für die Versicherungswissenschaften und -gestaltung e.V.). Die GVG ist eine konsensbasierte Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, Debatten über verschiedene sozialpolitische Themen anzustoßen. Die Veröffentlichung dieser Meinungsbeiträge dient dem Zweck, unterschiedliche Standpunkte und Ansichten in die Diskussion einzubringen. Die GVG bleibt neutral und achtet auf eine Ausgewogenheit der Perspektiven.